Kündigen ohne neuen Job – gute Idee ODER auf keinen Fall?

Als Jobcoach werde ich immer wieder gefragt ob, bevor man ein neues Jobangebot annimmt, schon kündigen sollte. Dies ist vor allem aus dem Hintergrund wichtig, da der Marktwert und das Netzwerk nach einer Kündigung massiv abnehmen. Dass der Marktwert sinkt ist klar, aber dass das Netzwerk, auf welches Sie im bestehenden Unternehmen zurückgreifen können ebenfalls im Moment der Kündigung nicht mehr verfügbar ist, wird von vielen „schlichtweg“ vergessen.

Die Frage der Kündigung vor oder nachdem man einen neuen Job angenommen hat ist nicht so leicht zu beantworten. Wichtig ist es den gesamten Prozess in Teilschritten aufzulösen.

Was sind die Beweggründe der Kündigung und wie schlimm ist es im aktuellen Job?

Ist es das Betriebsklima, die Kolleg:innen, der Job an sich, die Zukunft der Abteilung oder der Firma? Wichtig ist dabei, dass man selber genau analysiert was so unbefriedigend oder ärgerlich ist. Man sollte dabei auch nicht die positive Aspekte des aktuellen Jobs zu vergessen. Ein Kardinalfehler vieler Bewerber:innen ist es, nur das negative in Frage zu stellen und das gute am Job als „normal“ zu bewerten und zu meinen, dass dies im nächsten Job sicher so sein wird. Das ist es oft nicht, manchmal ist auch das Gegenteil der Fall.

Wie kritisch ist die Situation im aktuellen Job?

Ist das Unternehmen kurz vor der Insolvenz, wird die Abteilung aufgelöst, ist der neue Vorgesetzte unerträglich? Wenn Sie der Meinung sind, dass alles unerträglich ist, Sie bereits Anzeichen sehen, dass sich Ihre Gesundheit verschlechtert bedeutet dies, dass rasches Handeln notwendig ist.

Meine Chancen am Arbeitsmarkt – Preis des Scheiterns!

Wer sich beruflich verändert und kündigt, wird dies niemals tun um in der Langzeitarbeitslosigkeit zu enden. Klingt logisch ist es aber für viele nicht. Ich muss meine Chancen am Arbeitsmarkt kennen und bewerten um Klarheit zu haben, was nach der Kündigung auf mich zukommt. Ist es ein leichtes Spiel einen neuen Job zu bekommen – ist es leichter den Schritt zu setzen. Bin ich bereit auch den Preis eines Scheiterns, längere Arbeitslosigkeit auf mich zu nehmen, welche Auswirkungen das auf mich hat, meine Familie und mein Umfeld? Der alte Spruch: „Jede:r der einen Job will, wird auch einen finden“ ist schlichtweg falsch. Vor allem ab einem Lebensalter von 35 Jahren wird es schwerer einen neuen Job zu finden. Und wie sieht es im „worst case“ aus, sich selbständig zu machen?

Die Jobfinding Strategie

Wie werde ich Vorgehen bei der Jobsuche? Habe ich einen Plan, oder werde ich wie 95 % aller Bewerber:innen nur Stellenanzeigen sichten und Bewerbungen versenden und dann nur Absagen erhalten. Oder habe ich ein Ziel, ein Unternehmen, eine Position im Auge die ich bekleiden möchte. Entscheidend dabei ist, dass Jobfinding immer ein Kampf gegen die Zeit ist, je länger die Jobsuche dauert, desto schwierige wird es und der Marktwert sinkt. Das bedeutet, dass Zeitfenster nach der Kündigung bis zur proaktiven Jobsuche nicht zu groß sein sollte und sollte genau eingeplant werden. Eine längere Auszeit nach einer Kündigung ist zwar gut für die Psyche, aber schlecht für die Jobchance. Das muss genau abgewogen werden. Ich kenne viele Bewerber:innen, die nach einer längeren Weltreise nicht mehr ins Arbeitsleben zurückgefunden haben.

Jobfinding ist ein Fulltimejob

Wenn man „Jobsuchenden“ Menschen manchmal unterstellt, dass Sie einfach Urlaub auf „Staatskosten“ machen ist das grundsätzlich falsch. Jede:r der sich beruflich verändert weiß, dass dieser Prozess sehr aufwendig ist, man mit einer Fülle von Ablehnungen konfrontiert wird und so gut wie kein Feedback erhält. Sie sind wie ein:e Schauspieler:in, der einen tollen Auftritt liefert aber keine Publikum vor sich hat. Es fehlt oft jegliches Feedback vom Arbeitsmarkt. Es wäre wirklich schön zu wissen, an welcher Stelle man bei einer Bewerbung gelandet ist um seine Bewerbung zu optimieren. Dieser Fulltimejob „Jobfinding“ ist die Krux, neben dem Job einen anderen Job zu suchen. Zwei Fulltimejobs nebeneinander sind scheinbar unmöglich. Oder man nimmt sich einen Urlaub für das Jobfinding. Aber wer macht das schon? Diesen Preis zahlt kein Bewerber gerne, eigentlich schade, denn dadurch „opfert“ man seinen Urlaub und erhält vielleicht seinen Traumjob. Genau das könnte die Lösung sein für die Frage: Kündigen ohne neuen Job – gute Idee ODER auf keinen Fall?

Jeder Jobwechsel sollte genau geplant, strategisch durchdacht und konsequent durchgeführt werden. Wichtig ist es ein gutes Netzwerk aufzubauen und sich gut beraten zu lassen. Jobcoaches können hier gut weiterhelfen.